Unternehmen Haudegen
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Unternehmen Haudegen war der Deckname einer deutschen Militäroperation einer Expedition der deutschen Kriegsmarine im Jahr 1944 nach dem norwegischen Spitzbergen. | |||
Wie bei den meisten anderen Wettertrupps leitete sich der Deckname Haudegen aus dem Namen seines Leiters ab, Wilhelm Dege. Haudegen war eine von mehreren Wetterstationen der Wehrmacht in der Arktis, die von Marine und Luftwaffe zur Gewinnung von Wetterdaten in der Polarregion in Spitzbergen, Nordostgrönland, Labrador und Franz-Josef-Land zeitlich abfolgend oder nebeneinander eingesetzt wurden. Die jeweiligen Wettertrupps wurden getrennt voneinander als Marinewettertrupp oder Luftwaffenwettertrupp in Landstationen oder auf Schiffen eingesetzt und waren jeweils für ihre Teilstreitkraft tätig. | |||
Unter Führung des Geographen Leutnant (MA)S Wilhelm Dege wurde dem Wettertrupp der Marine (Gesamtstärke 11 Soldaten)[2] der Auftrag erteilt, die für die Kriegsmarine in Norwegen operativ wichtigen Wetterdaten durch den Betrieb einer Kriegswetterstation zu sammeln. Im September 1944 wurden der Marinewettertrupp und seine Ausrüstung (80 t oder 20 kg/(Mann·Tag) davon 1,4 kg Verpflegung) in Narvik an Bord des Fischdampfers Karl J. Busch zur Anlandung auf Spitzbergens Nordostland eingeschifft. Zur Ausrüstung gehörte die gesamte Wetterstation aus vorgefertigten Knoespelwürfeln sowie 7 t Kohle zur Befeuerung der Wärmeöfen. Die Verpflegungsration einschließlich Alkohol wurde pro Mann und Tag mit 1,4 kg oder 6000 kcal / Mann-Tag für ein Jahr angesetzt. | |||
Für die Jagd wurde Munition mit Teilmantelhohlspitz- und Teilmantelgeschosse mitgeführt. Um bei einer eventuellen Gefangennahme nicht in den Verdacht zu geraten, mit dieser Dum-Dum-Munition gegen das internationale Kriegsvölkerrecht zu verstoßen, wurde sie von den Teilnehmern des Wettertrupps mit der Aufschrift „Nur für Bären“ versehen. Für Sprengungen und zum Bau von Behelfsminen wurden größere Mengen Dynamit mitgeführt. | |||
Das ursprünglich als Begleit-U-Boot vorgesehene U 354 wurde mit einem Teil der Ausrüstung bei einem Angriff auf den Flugzeugträger HMS Nabob der Royal Navy versenkt, einem Begleitschiff des alliierten Konvois JW-59. Die nun fehlende Ausrüstung konnte behelfsmäßig ersetzt werden. Von Hammerfest aus – diesmal im Geleit des U-Boots U 307 – geriet die Unternehmung in der Nähe der Bäreninsel in einen alliierten Geleitzug. Die Karl J. Busch gelangte jedoch sicher durch die Olga- und Hinlopenstraße an die Nordküste der Insel Nordostland. Auf der Ostseite der Wordiebukta im Prins-Oscars-Land konnte die Wetterstation errichtet und bis zum September 1945 betrieben werden – nach der Kapitulation offen als Wetterstation. Erst im September 1945 erfolgte durch die norwegische Marine die Abholung. | |||
Nach einem im Jahr 2004 veröffentlichten Zeitzeugenbericht des ehemaligen deutschen Funk-Obergefreiten Heinz Schneider aus Dresden habe die Wehrmacht die elf deutschen Soldaten auf der Insel vor Spitzbergen schlicht vergessen. Besonders die Wetterbedingungen zehrten an den Kräften. So mussten die Soldaten Temperaturen bis weit unter −40 °C ertragen. Zudem herrscht von Ende Oktober bis Anfang Februar Polarnacht. Auch Eisbären, die bis in das Lager vordrangen, stellten eine Gefahr dar. Da es sich um eine Kriegswetterstation handelte, musste der Wettertrupp auch immer mit Feindkräften rechnen. | |||
Auftrag des Wettertrupps war: | |||
Messung bzw. Beobachtung des Bodenwetters (sg. „Obs“): | |||
Luftdruck | |||
Temperatur (aktuell, Tagesmittel, Minimum- und Maximumtemperatur) | |||
Relative Luftfeuchte | |||
Sicht | |||
Wettertyp nach Kopenhagener Schlüssel | |||
Windrichtung und -stärke | |||
Bewölkung (Typ, Höhe, Zugrichtung und Bedeckungsgrad) | |||
Niederschlag (Regen- bzw. Schneemenge) | |||
Verdunstung | |||
Bodentemperatur (über freier Erde, Schnee, Meerwasser bzw. über Eis) | |||
Diese Beobachtungen wurden vom 15.09.1944 bis zum 05.09.1945 ohne Unterbrechung acht Mal täglich (alle drei Stunden) vorgenommen. Die (verschlüsselte) Funkübermittlung an die Marinefunkstelle Tromsø erfolgte zu vorher festgelegten Zeiten (sogenannte „Programmzeiten“) dreimal täglich. Von dort wurden die Daten per Fernschreiber an das OKM in Berlin weitergeleitet. Nach der deutschen Kapitulation (08.05.1945) übermittelte Haudegen die Daten offen (nach dem Kopenhagener Schlüssel). Die Zusammensetzung einer solchen Wettermeldung ist unter SYNOP dargestellt. | |||
Radiosonden-Aufstiege zur Messung von Luftdruck und Temperatur in höheren Luftschichten (sg. „Temp“) | |||
Insgesamt wurden von Haudegen 140 erfolgreiche Radiosonden-Aufstiege durchgeführt, sechs zu den Internationalen Aerologischen Tagen im November 1944, tägliche Aufstiege vom 01.12.1944 bis zum 02.02.1945, 22 Aufstiege bis zur Kapitulation am 08.05.1945 und zwölf Aufstiege nach der Kapitulation. Die Messergebnisse wurden jeden Abend um 18:00 Uhr DGZ (Deutsche gesetzliche Zeit) verschlüsselt an die Marinefunkstelle Tromsø übermittelt. Im Durchschnitt aller Aufstiege wurde eine auswertbare Höhe von 11.500 Metern erreicht. | |||
Pilotballon-Aufstiege zur Messung des Höhenwindes (sg. „Pilot“) | |||
Kombiniert mit den Radiosonden-Aufstiegen (Temps) wurde der Radiosonden-Ballon mit einem Registrier-Theodolit verfolgt. Zwischen dem 05.07. und dem 03.09.1945 erfolgten 16 reine Pilotballon-Aufstiege (ohne Radiosonde, da die Batterien wegen Überlagerung nicht mehr brauchbar waren). | |||
Am 04.09.1945 wurden die Soldaten durch das norwegische Robbenfangschiff Blaasel evakuiert. Retter und Gerettete begegneten sich nach späteren Aussagen der Beteiligten respektvoll. Nachdem einige Ausrüstungsgegenstände getauscht worden waren, unterschrieb der Expeditionsleiter W. Dege dem Kapitän des Schiffes, den er noch von einer Reise vor dem Krieg nach Spitzbergen kannte, eine gesonderte Kapitulationserklärung. Dege legte als symbolischen Akt seine Dienstpistole auf den Tisch der Wetterstation. Zuvor wurden die ausgelegten Schützenminen gesprengt und Teile des Munitionsvorrats, besonders der der MGs, verschossen. Der Wettertrupp „Haudegen“ war damit die letzte Einheit der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg, die von alliierter Seite entwaffnet wurde. | |||
1985 konnten während einer Expedition des Museums des norwegischen Verteidigungsministeriums, an der der Sohn von Dege teilnahm, noch eine nahe der Station vergrabene Metallkiste mit den Tagebüchern seines Vaters sowie ein Fluchthilfedepot des Marinewettertrupps „Haudegen“ mit Waffen und Munition geborgen werden. Verschiedene Originalunterlagen des Unternehmen Haudegen befinden sich heute im Nachlass Wilhelm Deges im Archiv für Geographie des Leibniz-Instituts für Länderkunde in Leipzig. | |||
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